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Arnsberg. Ein rätselhaftes Buch aus der berühmten Wedinghauser Klosterbibliothek hat wieder den Weg zurück nach Arnsberg gefunden. Kürzlich tauchte im Antiquariatshandel der über 453 Jahre alte Foliant „Die gesammelten Werke des Johannes Tauler“ auf. Meinolf Kremer erstand ihn für 1000 Euro. Wenn man bei näherem Betrachten den ideellen Wert für die westfälische Heimatgeschichte feststellt, fast ein Schnäppchen.

„Ich freue mich, dass ich meiner Stadt ein Stück ihrer Geschichte zurückgeben kann“, zeigte sich Spender Meinolf Kremer seiner Heimat verbunden und bestaunte den originalen Ledereinband auf Holz, der mit vielen christlichen Motiven verziert ist, die vom Buchbinder mit einem Rollenstempel aufgebracht wurden.

Stadtarchivar Michael Gosmann war begeistert von dem alten Buch, das nun neu in seinem Bestand ist. „Das Buch gehörte zeitweise Richard Rahm, dem bedeutendsten Wedinghauser Chorherren. Rahm hatte enge Kontakte zum deutschen Hochadel bis zum Kaiser. Dass wir nun dieses Buch zurückerhalten haben kommt unserer Stadt einem kulturhistorischen Lottogewinn gleich.“ Johann Richard Rham war ein hochbegabter Geistlicher, der als Theologe, Schriftsteller, Maler, Mediziner, Alchimist und Diplomat bekannt war. Rham führte mit Kaiser Ferdinand III. (1608-1657) in Wien alchimistische Experimente durch oder entfernte dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) ein Muttermal aus dem Gesicht.

Dass sich Rahm intensiv mit dem Inhalt des Buches auseinandersetzte ist durch viele Anmerkungen belegt. Somit sind aus heutiger Sicht nicht die vielen Löcher der Holzwürmer im Holzdeckel des Buches, die das Alter belegen, das Besondere. Vielmehr sind es die Einträge und Anmerkungen, die Aufschlüsse und zugleich Rätsel aufgeben. Der mittelalterliche Autor Johannes Tauler aus Straßburg war einer der gelehrtesten und berühmtesten Mystiker des 14. Jahrhunderts. Seine neuplatonischen Thesen und Predigten hatten noch weit bis in das 17. Jahrhundert hinein prägenden Einfluss.

Auch Richard Rahm war zu seinen Lebzeiten von den intelligenten Thesen angetan. Er hinterließ das Buch der Klosterbibliothek, sodass es 1803 in der Inventarliste des Klosters Wedinghausen verzeichnet wurde. Über verschiedene Wege gelangte es in die Bibliothek der Kapuziner in Werne, vermutlich von dort aus in den Antiquitätenhandel. Aber es bleiben Fragen.

Aber wer hat die Besitzeinträge gelöscht? Warum wurde versucht, Hinweise auf das Kloster Wedinghausen aus dem Buch zu entfernen? Wer hat einen Großteil des Vorsatzblattes entfernt und dann mit enger mittelalterlicher Handschrift den Rest beschrieben? Die Handschrift wartet noch darauf entziffert zu werden, vielleicht kann sie zur Aufklärung beitragen, vielleicht noch weitere Rätsel auftun. War es simpler Diebstahl oder hatte es etwas mit dem Inhalt zu tun? Immerhin stellte Taulers Lehre etwas Neues dar, was leicht hätte in den Bereich der Häresie oder Ketzerei gleiten könne. Davor bewahrten ihn zu Lebzeiten seine engen Freundschaften in den gelehrten Kreisen.

Was bleibt ist ein Nachweis der Bedeutung und Nachhaltigkeit Taulers Lehren und deren Einfluss auf das Leben in Arnsberg. Denn der Arnsberger Richard Rahm notierte auf dem Titelblatt nach dem Studium der gesammelten Werke des Johannes Tauler: „Diesen Weg kennen wenige, noch weniger fragen danach, die wenigsten erforschen ihn.“

„Hanc viam pauci norunt: pauciores quaerunt: paucissimi inveniunt.“

Mit dem Band kommt ein bemerkenswertes Zeugnis aus der 1803 aufgelösten Bibliothek des Klosters Wedinghausen, der damals größten Buchsammlung des Herzogtums Westfalens, an seine alte Heimstätte zurück. Die vielen Geschichten und Rätsel über die Besitzer des Buches dokumentieren augenfällig sein wechselvolles Schicksal im Laufe seiner fast 500jährigen Geschichte: „Habent sua fata libelli“ – „Die Bücher haben ihre Schicksale“ sagt das lateinische Sprichwort.

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